EDU hält an ihrem Anspruch auf einen Oberrichter fest
Fraktionserklärung von Mo, 18. September 2017
verlesen im Kantonsrat von EDU-Fraktionspräsident Erich Vontobel
Sehr geehrte Frau Präsidentin
Sehr geehrte Frau Regierungsrätin
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Wie Sie wissen, hat die EDU als nächste Fraktion einen Sitzanspruch von 100% am Obergericht. Die Sitzverteilung nach dem Parteienproporz hat hier im Kantonsrat eine lange Tradition und gilt auch mit der neuen Kantonsverfassung unverändert weiter. § 75 des Geschäftsreglements des Kantonsrates hält ausdrücklich fest, dass es bei der Oberrichterwahl darauf ankommt, welche Fraktion den Sitzanspruch hat. Der Proporz-Anspruch ist also nicht einfach eine nette Tradition, ein Goodwill, sondern ein gesetzlicher Anspruch. Erst kürzlich feierten wir in Winterthur 100 Jahre Proporz.
Sie können die EDU sympathisch finden oder nicht, aber im Kantonsrat gilt für die Besetzung von Richterstellen seit Jahrzehnten, dass jede Fraktion zu ihrem Recht kommen muss, auch eine kleine. Den Sitzanspruch dieses Mal hat nicht die FDP, nicht die SP und auch nicht die EVP. Die EDU einfach zu übergehen, ist deshalb nicht zulässig.
§ 59b des Geschäftsreglementes des Kantonsrates regelt im Detail das Wahlverfahren fürs Obergericht und die anderen kantonalen Gerichte. Dieses Verfahren muss von den Kandidierenden und auch vom Kantonsrat eingehalten werden. Und ich kann Ihnen versichern, die EDU hat dieses Verfahren eingehalten. Es gab eine öffentliche Ausschreibung im Amtsblatt, mit einer unmissverständlichen Bewerbungsfrist bis am 26. Mai. Unser Kandidat hat sich in der Bewerbungsfrist beworben. In dieser Frist haben insgesamt drei Personen bei der JUKO ihre Kandidatur angemeldet. Die JUKO hat bereits im Juni diese Personen geprüft und unseren Kandidaten als qualifiziert erachtet. Danach hat unsere Wahlkommission die Kandidierenden auch noch geprüft. Wir haben Ihnen von diesen Personen den fachlich und persönlich am besten geeigneten Kandidaten einstimmig zur Wahl vorgeschlagen. Sie wissen es, es ist David Oehninger.
Unser Kandidat ist also nicht einfach ein Notnagel. Er bringt dieselben Voraussetzungen mit, wie viele von Ihren Oberrichterinnen und Oberrichtern, als sie gewählt wurden. Er arbeitet seit 11 Jahren an den Zürcher Gerichten. Er hat die letzten Jahre voll als Richter gearbeitet. Er ist gewählter Bezirksrichter. Er war auch bereits 4 Jahre lang am Obergericht als Gerichtsschreiber und hat dort unzählige Urteile verfasst. Er weiss also bestens, was ihn am Obergericht erwartet. Unser Kandidat hat nicht nur 11 Jahre Gerichtserfahrung, er ist auch noch Rechtsanwalt. Die Anwaltsprüfung ist die schwierigste fachliche Prüfung, die Sie als Jurist machen können.
David Oehninger hat in den letzten 11 Jahren vollzeitlich an Urteilen gefeilt, Gerichtsverfahren betreut und Gerichtsverhandlungen geführt. Wenn er bis jetzt nicht begriffen hätte, wie es am Gericht funktioniert, würde er es auch in 5 Jahren nicht begreifen. Unser Kandidat ist auch kein komischer, christlicher Kautz, sondern ein weltoffener Mensch mit einem sehr guten Auftreten. Er hat zudem beste Referenzen. Darunter sind auch gewählte Oberrichterinnen und Oberrichter der FDP, der SP und der CVP und eine Professorin der Uni Zürich. All diese Personen und noch weitere haben mit ihm mehrere Jahre am Obergericht zusammengearbeitet. Sie bestätigen, dass er ein fähiger Oberrichter wäre und einen ausgezeichneten Ruf geniesst. Wenn diese Personen und die JUKO bei der fachlichen Eignung alle falsch liegen sollten, weiss ich auch nicht mehr weiter.
Ich erinnere Sie daran, dass die Frage nicht lautet, welche Fraktion auch noch einen guten Kandidaten hätte. Die Frage lautet: Wer hat den Sitzanspruch? Den Sitzanspruch hat die EDU. Genauso wird auch Ihre Fraktion wieder an der Reihe sein. Was würden Sie sagen, wenn es dann auch so einen mehrmonatigen Aufstand gäbe, nachdem Sie für Ihren Sitz einen fähigen Kandidaten nominiert haben? Wenn also klar ist, wer den Sitzanspruch hat, gibt es nur noch eine Folgefrage: Hat die EDU einen Kandidaten vorgeschlagen, der die Voraussetzungen erfüllt oder nicht? Und auch da können Sie ehrlicherweise nur mit "Ja" antworten. Unser Kandidat erfüllt sämtliche Voraussetzungen des Obergerichts, die wir hier seit Jahren anwenden. Er übertrifft das Anforderungsprofil der Stellenausschreibung bei weitem.
Es ist auch nicht zulässig, ohne Einhaltung des ordentlichen Wahlverfahrens, das seit dem Frühling läuft, plötzlich irgendeine neue Person aufzustellen, wie das offenbar versucht wird. Um zu kandidieren, hätte man sich im Mai melden müssen, wie das die anderen Kandidaten auch getan haben. Jetzt ist es dafür zu spät.
Selbst ohne gesetzliche Regeln wäre das hier kein Fall, um die seit Jahrzehnten geltende Proporzverteilung einfach zu versenken; oder wollen Sie in Zukunft für jeden Richtersitz auf kantonaler Ebene auch noch einen Wahlkampf führen? Wir stehen dem Stimmvolk, aber auch den Personen gegenüber, die im Mai ordentlich kandidiert haben, in der Pflicht, die Wahlregeln einzuhalten. Wir sind doch keine Bananenrepublik, sondern repräsentieren den Rechtsstaat und auch den Kanton Zürich als Arbeitgeber. Die Oberrichterinnen und Oberrichter werden nicht von der IFK gewählt, sondern vom Kantonsrat, das heisst von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Sitzverteilung nach der Parteienstärke ist eine grundlegende, eine demokratische und eine äusserst solidarische Errungenschaft in unserem Kanton. Sie schützt die Ansprüche aller Fraktionen, auch die der kleineren. Alle sollen am Obergericht repräsentiert sein, Ihre Fraktion wie auch die EDU. Alles andere ist verfassungs- und gesetzeswidrig.
Ich bitte Sie deshalb, den Sitzanspruch der EDU zu respektieren und sich nicht mit falschen Informationen manipulieren zu lassen. Diese politischen Spiele sollen endlich aufhören. Wir als Kantonsrat täten gut daran, uns unserer eigentlichen Arbeit zu widmen, als uns mit solchen Machtspielen zu disqualifizieren.
Ich danke Ihnen schon jetzt für Ihre gerechte Wahl am 30. Oktober in diesem Saal.