Kantonsrat für Zürcher Babyfenster
Rede von Erich Vontobel, Bubikon, vom 23. September 2013.
Motion "Babyfenster auch im Kanton Zürich wichtig und notwendig", KR-Nr. 55/2013
Herr Kantonsratspräsident
Herr Regierungspräsident
geschätzte Kolleginnen und Kollegen
Gleich zu Beginn: Wir haben die Motion in ein Postulat umgewandelt.
Mutloser Regierungsrat
Wir haben die Ihnen mittlerweile bekannte Babyfenster-Motion Mitte Februar eingereicht. Der Regierungsrat hat dann anfangs Juni geantwortet. Diese Antwort hat deutlich gemacht, dass der Zürcher Regierungsrat nicht gewillt ist, zum Thema Babyfenster und der damit verbundenen Thematik Verantwortung zu übernehmen. Obschon es unter Umständen um Leben oder Tod eines Neugeborenen geht, lässt ihn das Thema offensichtlich kalt. So hält er schon fast vorwurfsvoll fest, dass die Diskussionen um die Babyfenster oft mit grosser Leidenschaft und emotionalen Argumenten geführt würden. Der Regierungsrat kann es offenbar nicht nachvollziehen, dass es Leute gibt, denen Kindstötungen und Kindesaussetzungen an die Nieren gehen. So hält er in seinem Bericht weiter fest, dass Einrichtung und Betrieb von Babyfenstern keine ursprünglich staatliche Aufgabe seien. Abschliessend verweist er darauf, dass auch in Zürich entsprechende Vorhaben im Gange seien. Er meint damit die seit Jahren frucht- und ergebnislosen Abklärungen des Spitals am Zollikerberg. Dass dort bis heute nichts Konkretes erreicht worden ist, scheint ihn nicht zu stören. Er beantragt dem Kantonsrat, die Motion nicht zu überweisen. - Eine etwas mutlose Leistung der Regierung des bevölkerungsreichsten Kantons der Schweiz.
Nun sind aber wir, das Parlament, gefordert, Farbe zu bekennen und in dieser Sache etwas zu bewegen.
Wie funktioniert ein Babyfenster?
Doch worum geht es? Was ist ein Babyfenster? Ein Babyfenster ist ein Hilfsangebot für extreme Notsituationen. Es ermöglicht einer Mutter, die sich in einer ausweglosen Lage befindet, ihr Kind anonym (und zwar wirklich anonym) in sichere Hände zu übergeben. Die Mutter öffnet das Fenster, legt das Baby in das bereitstehende Wärmebettchen, nimmt allenfalls einen so genannten "Brief an die Mutter" an sich, schliesst das Fenster wieder und entfernt sich. Im Spital ertönt nach drei Minuten der Babyfenster-Alarm: eine Hebamme kommt und nimmt sich des Kindes an. Es erhält liebevolle Pflege. Nach ein paar Tagen kommt es zu Pflege- und später zu Adoptiveltern. Die Mutter und der Vater des Kindes haben das Recht, das Kind bis zum Vollzug der Adoption zurückzufordern. Eine Adoption kann frühestens ein Jahr nach der Abgabe des Kindes erfolgen.
Gute Erfahrungen und breite Untestützung in der Bevölkerung
Das erste Babyfenster der Schweiz wurde 2001 beim Spital Einsiedeln eröffnet, mit dem Ziel, eine Nothilfe zur Abwendung von Kindsaussetzungen und Kindstötungen anzubieten. Bis heute wurden in Einsiedeln 8 Neugeborene abgegeben. Das letzte am 16. Februar dieses Jahres. Dass Babyfenster eine äusserst sinnvolle Einrichtung sind, haben in den letzten Jahren selbst Skeptiker und Pessimisten eingesehen. Die Betreiber des Babyfensters Einsiedeln haben vor zwei Jahren in einer Untersuchung gezeigt, dass seit der Eröffnung des Babyfensters in der Schweiz deutlich weniger getötete oder durch Aussetzung umgekommene Babys aufgefunden worden sind. Sie schreiben diese Entwicklung zumindest teilweise dem Babyfenster zu. Man darf an dieser Stelle also mit Fug und Recht behaupten: Babyfenster retten Leben! So sieht es auch die Bevölkerung. Ende April 2011 ergab eine Meinungsumfrage von ISOPUBLIC unter 1'103 befragten Personen aus allen Landesteilen der Schweiz, dass 87% der Befragten das Babyfenster als "sehr sinnvoll" oder "eher sinnvoll" erachten. 86% wünschten sich die Eröffnung weiterer Babyfenster in der Schweiz. - Wenn Sie also heute diesen Vorstoss unterstützen, dürfen Sie sicher sein, damit ein Anliegen der Mehrheit aus unserer Bevölkerung ernst genommen zu haben.
Nebst Einsiedeln gibt es mittlerweile auch Babyfenster in Davos und Olten. Ein weiteres wird bis Ende dieses Jahres in Bellinzona eingerichtet. Parlamentarische Vorstösse mit dem selben Ziel wie der unsere heute sind in den Kantonen Bern, Wallis, Solothurn, Basel-Land, Thurgau und St. Gallen eingereicht worden. Bern und Wallis haben bereits zugestimmt.
Mit dem Trend, Babyfenster einzurichten, sind wir in der Schweiz weder Pioniere noch Exoten. Europaweit gibt es bereits deren 300, wovon 100 in Deutschland und Österreich.
Damit komme ich zu Einwänden der Gegner von Babyfenstern.
Was spricht dagegen? - Widerlegung von Einwänden
Sie sagen beispielsweise, dass es ein Menschrecht sei, seine Herkunft zu kennen. Der Staat müsse daher dafür sorgen, dass dieses Recht gewahrt bleibe. Also keine Babyfenster. Dass die letzten noch vorhandenen Gegner nach wie vor mit juristischen Argumenten Babyfenster verhindern wollen und Kinderrechte höher gewichten als das Recht auf Leben, ist geradezu zynisch. Was nützt den Kindern das Recht, ihre Herkunft zu kennen, wenn sie das Alter, in dem sie die leiblichen Eltern kennenlernen könnten, gar nicht erleben?
Vertrauliche Geburt deckt nicht die gleichen Situationen ab
Im Weiteren ist mit einem Artikel im Tages-Anzeiger die so genannte "vertrauliche Geburt" als Alternative zu Babyklappen propagiert worden. Die Vertreterinnen und Vertreter der vertraulichen Geburt halten ebenfalls am Menschenrecht fest, wonach der Mensch seine Herkunft kennen darf. Nach ihren Vorstellungen müsste eine Frau bei der vertraulichen Geburt im Spital ihre Identität preisgeben. Die Personalien würden den Behörden überreicht und dort unter Verschluss gehalten, bis das Kind volljährig ist.
Ja, die vertrauliche Geburt ist bestimmt eine Option. Denn für das Kind ist es in der Tat sehr wichtig, seine Herkunft zu kennen. Vergessen Sie aber nicht, dass es auch Frauen gibt, die sich - aus welchen Gründen auch immer - sogar vor dem Personal einer Klinik oder eines Gebärhauses fürchten und niemandem ihre verzweifelte Situation offenbaren wollen.
Auch sie sollen die Möglichkeit haben, ihrem Kind eine Lebenschance zu geben. Bei der vertraulichen Geburt gelangt ein beträchtlicher Personenkreis im Spital und bei den Behörden zur Kenntnis der Identität der Mutter. Dies könnte manche Frau in Not als zu grosses Risiko einstufen, erkannt zu werden. Frauen, denen eine bloss teilweise und befristete Anonymität nicht reicht, werden sich kaum für die vertrauliche Geburt entscheiden. Wird ihnen die Möglichkeit der Abgabe des Babys in einem Babyfenster verwehrt, wird es vermehrt zu Kindstötungen und Kindsaussetzungen mit Todesfolgen kommen.
Der langen Rede kurzer Sinn: Babyfenster und vertrauliche Geburt decken nicht den selben Problemkreis ab. Die beiden Angebote ergänzen sich. Was es braucht, sind verschiedene Optionen. Müttern in schwierigen Situationen sollen alle Optionen angeboten werden, ihrem Kind das Leben zu schenken.
Allein die vertrauliche Geburt anzubieten, bedeutet, nicht alles in unserer Macht stehende gegen das Risiko von Kindsaussetzungen und Kindstötungen zu tun. Wir würden, aus was für Gründen auch immer, den Tod von Kindern in Kauf nehmen. Und das ist absolut verwerflich in einem Land, das auf seine Fahne geschrieben hat (Zitat): "Jeder Mensch hat das Recht auf Leben." (Artikel 10 der Bundesverfassung).
Jeder Mensch ist wertvoll
Für die EDU ist das Leben etwas Unantastbares. Ob ungeboren, geboren, ob jung oder alt. Jeder Mensch ist wertvoll und hat das Recht auf Leben. Auch das Neugeborene einer absolut verzweifelten Mutter.
Ich bitte Sie eindringlich, dieses Postulat (Sie haben richtig gehört: Postulat) zu unterstützen (dafür braucht es ja nicht soviel Mut wie für eine Motion ;-)), und ich danke Ihnen herzlich dafür.
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Rede von Heinz Kyburz, Männedorf, vom 23. September 2013.
Postulat "Babyfenster auch im Kanton Zürich wichtig und notwendig"
Geschätzte Anwesende
Das höchste Rechtsgut ist das Leben.
Wenn es nun darum geht, die Interessen eines neugeborenen Kindes zu schützen, so bedeutet dies, vor allem dafür zu sorgen, dass es leben und sich entwickeln kann. In den weitaus meisten Fällen werden Kinder in ein Umfeld geboren, das ihnen Leben, Liebe, Fürsorge und Entwicklung ermöglicht. Es gibt aber leider auch Einzelfälle, die diese Grunderfordernisse nicht gewährleisten.
Babyfenster für Mütter in Notlagen
Wenn z.B. eine stark depressive oder psychisch kranke Mutter in einer Notlage ihr Kind in ein Babyfenster legt, so löst dies zwar Betroffenheit und auch Unverständnis aus. Mit ihrem sicherlich emotional stark beeinträchtigten Entscheid, das Kind in "bessere und sichere Hände" zu geben, kann sie aber in extremen Notsituationen die Interessen des Kindes für's erste möglicherweise am besten gewährleisten.
Wenn eine verzweifelte Mutter ihr Kind in ein Babyfenster legt, kann damit allenfalls einer akuten oder dauernden Überforderung der Mutter und damit verbundenen starken Gefährdung des Kindes begegnet werden. Im besten Fall bewahrt dieser Schritt das Kind vor der Kindstötung. In anderen Fällen dient er dazu, das Kind vor der Mutter zu schützen und die nötigen Massnahmen der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde einzuleiten.
Babyfenster im Kanton Bern
Am 19. Februar 2012 wurde auf einer Müllhalde in Wimmis BE ein totes Baby aufgefunden. Dies führte dazu, dass der Berner SVP-Grossrat Thomas Fuchs eine Motion einreichte, welche vom Kanton Bern die Einrichtung eines Babyfensters verlangte. Die Berner Regierung zeigte sich bereit, die Motion als Postulat entgegen zu nehmen. Am 19.11.2012 wurde das Postulat mit 108 Ja, 22 Nein und 5 Enthaltungen überwiesen.
Thomas Fuchs war vor 10 Jahren noch mit einem ähnlichen Vorstoss in der Stadt Bern gescheitert. Wo stehen wir heute im Kanton Zürich?
Bevölkerung für Babyfenster
In einer Isopublic-Umfrage hat sich die Bevölkerung klar für Babyfenster ausgesprochen und gewünscht, dass weitere erstellt werden. Teile dieses Parlaments stellen sich nun aber gegen das Babyfenster. Man argumentiert juristisch, mit Rechten und Pflichten der Eltern, spielt die Babyfenster gegen die anonyme oder vertrauliche Geburt aus und produziert schliesslich eine Patt-Situation, die gar niemandem etwas nützt.
Liebe Befürworter der anonymen oder vertraulichen Geburt. Diese gibt es ja bereits in Einzelfällen, wenn Müller gebären und ihre Personalien verweigern oder falsche Angaben liefern. Da braucht es sicherlich keine weiteren Massnahmen. Zudem schützt die anonyme Geburt vor allem die Mutter und nicht das Kind.
Das Spital Zollikerberg hat vor über 2 Jahren von diesem Babyfenster gesprochen und seither nichts umgesetzt. Wir befürchten, dass es dort nicht zustande kommen wird. Somit müsste ein neuer Standort gefunden werden.
Babyfenster ist ein erwiesenes Bedürfnis
Am Montagvormittag des 18.2.2013 hat die EDU diesen Vorstoss eingereicht. Am Montagnachmittag war den Medien zu entnehmen, dass am 16.2.2013 bereits das 8. Baby in das Babyfenster in Einsiedeln gelegt worden ist. Es geht also um ein reales Bedürfnis.
Das Postulat will ja nur, dass irgendwo im Kanton Zürich ein Babyfenster eingerichtet wird. Der Kanton muss es nicht selber betreiben. Auch eine Vereinslösung wäre möglich, wie es von der SP erwähnt worden ist.
Geben Sie sich also einen Ruck, zeigen Sie Herz und überweisen Sie das Postulat. Wir danken Ihnen.