ESC: Eurovision Song Contest oder «escape»?
Kürzlich fiel mein Blick auf die erste Taste meines Laptops und ich musste schmunzeln: Eine ESC-Taste? Sie steht natürlich nicht für die Musikshow, sondern für Aussteigen (Englisch «escape») – z.B. aus einem Programm. Dieser Artikel nimmt unter die Lupe, was alles mit «escape » zu tun hatte rund um den ESC.
Dr. med. Karin Hirschi, Redaktion «Standpunkt»
Fort aus Basel?
Als am 24. November 2024 in der Volksabstimmung von Basel-Stadt das EDU-Referendum keine Mehrheit fand, war mein erster Gedanke: Escape! Ich verschwinde vom 10. – 18. Mai 2025 aus Basel. Der zweite Gedanke war: Nein, ich will sehen, was in der Stadt passiert und darüber berichten können.
Pressestimmen
Der ESC war in schrillen Farben und Tönen seit Monaten in den Mainstream-Medien präsent. Typisch für die allgemein vorherrschenden Themen war ein Artikel von «Basel aktuell» vom April 2025 über eine Odette Hella’Grand (Moderatorin im Eurovision-Village) und über Conchita Wurst (Österreich, ESC 2014) – beide sind sog. «Drag Queens». In der Kleinbasler Zeitung wurde mehrseitig über den Basler Modeschöpfer Raphael Blechschmidt berichtet, inkl. Vermerk auf seine sexuelle Ausrichtung, und es wurde lobend erwähnt, dass er im Komitee gegen das «ESC-Referendum der rechts-konservativen EDU» aktiv gewesen sei. Bemerkenswert war auch seine Aussage, der ESC sei ein «Gegengewicht zum gegenwärtigen Rechtsrutsch in Europa». Diese stellvertretend hier erwähnten Artikel zeigten im Voraus, woher der Wind wohl unausweichlich wehen würde (und dann auch wehte).
Nationale Jury übergangen
Ein eindeutiger Missklang im Vorfeld war, was in Kroatien passierte: Die kroatische Jury und das dortige Publikum wählten die Band Ogenj mit dem Song «Daj, daj» für den ESC. Die Band hatte 2020 mit einem Pro-Life-Song für Aufsehen gesorgt. Aber die internationale Jury überstimmte die nationale Wahl, so dass schliesslich Marko Bošnjak mit dem Song «Poison Cake» für Kroatien am ESC auftrat; er bezeichnet sich selbst als Satanist, was auch in der Show und im Liedtext deutlich wurde. Man kann sich schon wundern, wie es überhaupt möglich ist, dass ein Land seine ESC-Vertreter nicht selber wählen kann!
Die meisten Kroaten klinkten sich daraufhin innerlich aus. Umso mehr freuen sie sich auf den 5. Juli, wenn Marko Petrović Thompson in Zagreb ein Mega-Konzert geben wird. Eine halbe Million Tickets wurde an einem einzigen Tag verkauft (das stellt jeden ESC in den Schatten) – und dies bei nur etwa vier Millionen Einwohnern!
Mehr Karten gab es nicht, aus Sicherheitsgründen. Der populäre Sänger und Musiker versteht es, in Worte zu fassen, was die Volksseele bewegt – während des Krieges und danach. Viele kennen seine Lieder auswendig und singen sie an den Konzerten mit, zu Zehntausenden! Ein pikantes Detail: Ausgerechnet Basel hatte während des Krieges ein schon abgemachtes Konzert mit Thompson in letzter Minute abgesagt.
Geheimniskrämereien
Die SRG vermied es lange, Auskunft über die Anzahl Tickets zu geben bzw. darüber, wie viele Zuschauer in der Basler St. Jakobs-Halle Platz fänden. Erst ein Leak einer Süddeutschen Zeitung brachte erste Hinweise und irgendwann sickerte es dann auch in unseren Medien durch: es gibt 6ʹ000 Plätze in der Halle und neun Anlässe. Von da an konnte man rechnen: ungefähr 54ʹ000 verkaufte Tickets. Eine Person konnte bis zu vier Tickets kaufen, also gab es weniger Besucher als Tickets. Und längst nicht alle blieben eine Woche. Zum Final kamen 36ʹ000 Zuschauer nach Basel. Ernüchternd niedrige Zahlen, weit weg von den 500ʹ000 Besuchern, die der ESC angeblich nach Basel locken sollte. Denn es war nicht anzunehmen, dass über 400ʹ000 Besucher ohne Ticket nur wegen der Festatmosphäre nach Basel kommen würden. Und sie kamen auch nicht!
Ticket-Vermarktung
Die knappen Plätze in der St. Jakobs-Halle waren in Rekordzeit ausverkauft, 42ʹ000 Tickets in der «ersten Welle» (wie es genannt wurde) und eine damals noch unbekannte Anzahl in einer zweiten Runde. Der rasant schnelle Ausverkauf wurde publikumswirksam in den Massenmedien breitgeschlagen. Kaum erwähnt wurde dagegen, dass man sogar noch während dem ESC bequem per Mausklick Karten für den Eurovisions-Club und sogar für die Live-Übertragung des Finals im Stadion bekommen konnte! So gross war das Interesse offenbar doch nicht. Dies zu kommentieren, vermied man aber tunlichst.
Tiefe Besucherzahlen
Um die 35 Millionen Franken Steuergelder «rechtfertigen» zu können, musste man natürlich an riesigen Besucherströmen festhalten, die angeblich nach Basel kamen. So wurde stolz berichtet, an der Eröffnungsfeier hätten 100ʹ000 Leute teilgenommen. Jeder Basler konnte sich leicht ausrechnen: Die Parade-Strecke vom Marktplatz bis zur Messe war nur etwa ein Drittel so lang wie der «Cortège» (Umzug der Basler Fasnacht), und dort hat es jeweils etwa 65ʹ000 Besucher; also waren es hier wohl nur um die 20ʹ000. Übertreibung um den Faktor 5, auch hier.
Viele Einheimische genossen die gemütlichen Strassen-Cafés und die Gratis-Konzerte. Auswärtige Besucher gab es natürlich auch – nur viel weniger als behauptet, zumindest vom 10. – 16. Mai. Das zeigte sich auch darin, dass es in dieser Zeit kaum Staus gab und Bahn und Trams nicht überlastet waren. Es gab jede Menge freier Parkplätze in den Parkhäusern (sogar noch am Finaltag!), Flugtickets nach Basel waren problemlos zu bekommen, privat angebotene Unterkünfte blieben oft ungenutzt, und Einrichtungen wie der Zolli waren enttäuschend wenig besucht.
Für die Bewohner der Innenstadt war das ESC-Begleitprogramm trotz bescheidener Besucherzahlen belastend, denn ihre Nachtruhe wurde eine Woche lang stark eingeschränkt. Bis 23 Uhr war offiziell Betrieb (Lärm), am Freitag und Samstag sogar bis 2 Uhr nachts. Ihnen blieb fast nur die «Flucht» aus Basel…
Sicherheit
Das Polizeiaufgebot aus der ganzen Schweiz war beeindruckend – und es war auch nötig. Palästinenserfahnen waren fast überall zu sehen, das Motto dahinter war «ESCalate» («immer mehr Gewalt»; so kam es ja dann am Schluss auch mit den Ausschreitungen). Jüdischen Mitbürgern und Gästen wurde geraten, sich nicht als solche zu erkennen zu geben, weil sie sich damit in Gefahr bringen würden. Immerhin wurde am Donnerstag die pro-israelische Kundgebung von «Artists Against Antisemitism Freiburg» auf dem Münsterplatz bewilligt und eine zweite, unangemeldete Sympathiekundgebung für Israel vor der St. Jakobs-Kirche geduldet – und gut bewacht.
Nemo hatte dazu aufgerufen, die israelische Künstlerin Yuval Raphael (eine Überlebende des Hamas-Massakers vom 7. / 8. Oktober 2023) vom ESC auszuschliessen; Basel blieb aber standhaft und stahl sich hier nicht rückwärts aus der Verantwortung.
Der Polizei gebührt ein grosser Dank!
Fazit
Das Rieseninteresse, das Basel angeblich am ESC hatte, beschränkte sich im Rückblick auf Massenmedien, Regierungsäusserungen und einige echte ESC-Fans. Es kamen geschätzt maximal 100ʹ000 auswärtige Besucher in einer Woche, viel weniger als vorausgesagt. Eigentlich müsste der Grosse Rat von sich aus Rechenschaft darüber ablegen, was vom 35 Millionen-«Kredit» tatsächlich via «Wertschöpfung» in die Steuerkasse zurückkommen könnte. Das meiste dürfte für immer verschwunden sein. Der Plan der Basler Regierung wird aber wahrscheinlich aufgehen: kaum jemand wird ernsthaft nachfragen, wo die 35 Millionen «versickert» sind. Und falls doch, kann man ja jederzeit die ESCape-Taste drücken.
Mehr Information und Fotos finden Sie auf der Website der EDU Schweiz:
www.edu-schweiz.ch