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Die Freuden und Leiden eines Kommunal-Parlamentariers

Gemeindeversammlungen, Bürgerräte, grosse und kleine Gemeinderäte, Stadträte, … die Schweiz kennt ein einzigartiges direktdemokratisches System, welches man zuweilen erst zu schätzen lernt, wenn man eine Aussensicht erhält und verstehen lernt, wenn man Teil davon wird.

Silvio Foiera, Uster EDU-Gemeinderat in Uster

Seit 2013 darf ich nun bereits parlamentarisch tätig sein. 2013/2014 noch als Vertreter für die junge EDU, seit 2016 als «nachgerutschter» Vertreter für die EDU, in den Wahlen 2018 und 2022 bestätigt. Sollte die Bestätigung – so Gott will – 2026 ein drittes Mal gelingen, so wohl bald im Amt als Gemeinderatspräsident, de jure also als höchster Vertreter der Bevölkerung in einer Parlamentsgemeinde.

In dieser Zeit habe ich gerade auf linker Seite ein Muster feststellen können: Vertreter, oder genderkorrekt formuliert: «Vertretende» der Ju-So und jungen Grünen, treten nach der Wahl ins Parlament ein, idealistisch, ungestüm, mit Tatendrang und voller Fragen (die hatte ich als Neuling auch), von ihren Fraktionen motiviert, ja gar portiert, reichen sie dann eine Unmenge an Fragen und Vorstössen ein. Nach 1-2 Jahren ziehen sie dann nach Zürich in eine «Studierenden-WG» und geben ihren Rats-Sitz mangels Wohnsitz ab. In Folge rutschen Nächstplatzierte nach: idealistisch, ungestüm, mit Tatendrang und voller Fragen…

Aber Amtsmühlen malen langsam, Parlamentsmühlen zuweilen noch gemächlicher. Renaturierungsprojekte des ehemals industriell prägenden «Millionenbachs», des Aabachs vom Pfäffikersee, durch das Aathal und Uster, welche mir 2013 in der Baukommission erstmals begegneten, sind noch immer nicht angegangen. Als Lokalpolitiker hat man darauf aber auch nur wenig Einfluss, da Gewässer in Hoheit des Kantons liegen. Aber Gestaltungspläne können wir beeinflussen und genehmigen. Z.B. für ein «Wohnen 60+» das am Ufer des renaturiert, mäandrierenden Aabachs entstehen soll. Nun, im Jahr 2023 musste das Bundesgericht das Dossier bearbeiten. Bis zum Bezugstermin der Wohnungen sind möglicherweise auch meine Frau und ich bereits 60+.

Zuweilen läuft man aber auch nach der Ratsdebatte aus dem Ratssaal und denkt sich, «wie soll ein Zeitungsleser morgen nicht den Kopf schütteln, über dem was wir heute beschlossen haben»? Zuweilen hat man jedoch so viele externe Abhängigkeiten und Einschränkungen, dass die Entscheidungsfindung auf einem vergleichsweise engem Korridor stattfindet.

Dennoch erhält man einen einmaligen Einblick in unser Staatswesen, in Institutionen, die man nur von aussen sieht, trifft und spricht mit Personen, welchen man sonst wohl kaum je begegnet wäre, lernt deren Sicht und Situation kennen.
Streitet sich – anders als in sozialen Medien – hart in der Sache, aber dennoch in Respekt vor dem Gegenüber, mit dem man später ein Bier trinkt und allenfalls nochmals die Debatte reflektiert.

Denn letztlich: Parlament impliziert parlieren, also reden. – Oder wie jemand mal gesagt hat: «wenn wir aufhören, miteinander zu sprechen, beginnt die Gewalt.»

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