Werden in der Schweiz auch Scheintoten Organe entnommen?
Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat ihre revidierten medizinisch-ethischen Richtlinien «Feststellung des Todes und vorbereitende medizinische Massnahmen im Hinblick auf eine Organspende» bis am 19. September 2025 in die Vernehmlassung geschickt.
Pfarrer Dr. Roland Graf, Präsident Human Life International (HLI) Schweiz
Die Organentnahme erfolgt einerseits nach einer primären Hirnschädigung, genannt DBD (Donation after Brain Death). Der Kreislauf wird mit intensivmedizinischen Massnahmen aufrechterhalten, doch der Hirntod ist eingetreten. Alle Reflexe, die Funktionen des Hirns anzeigen könnten, sind ausgefallen – und zwar irreversibel. Das betraf im Jahr 2024 47,6 % der Fälle. Andererseits wurden 52,4 % der Organentnahmen nach anhaltendem Kreislaufstillstand durchgeführt, genannt DCD (Donation after Circulatory Death). Bei diesen Patienten ist der Hirntod nicht eingetreten, sondern die lebenserhaltenden Massnahmen werden wegen der aussichtslosen Prognose abgestellt und der Herzstillstand abgewartet. Tritt dieser ein, wird eine Warte- und Beobachtungszeit von fünf Minuten eingehalten und anschliessend gemäss den Richtlinien der SAMW die Abwesenheit derselben Reflexe geprüft, die für den klassischen Hirntod gelten. Der Haken an der Sache ist, dass diese Reflexe gar nicht mehr vorhanden sein können, weil kein Blut zirkuliert!
Wann ist ein Mensch tot?
Mit dieser Pseudodiagnostik täuscht die SAMW bei DCD vor, einer wichtigen Forderung des Transplantationsgesetzes nachzukommen: «Der Mensch ist tot, wenn die Funktionen seines Hirns einschliesslich des Hirnstamms irreversibel ausgefallen sind» (Art. 9, Abs. 1). Diese Forderung ist bei DCD nicht immer erfüllt. Die SAMW deutet das in ihren revidierten Richtlinien nur an und ersetzt den Begriff «irreversibel» konsequent durch den Begriff «permanent». In der Medizin werde vom «permanenten Ausfall der Hirnfunktionen als entscheidendes Kriterium für die Todesfeststellung gesprochen» (S. 8). Die SAMW will sich mit dem Hinweis herausreden, der Bundesrat habe in der Botschaft zum Transplantationsgesetz (2001) neben dem Begriff «irreversibel» auch den Ausdruck «permanent» verwendet und inhaltlich nicht unterschieden zwischen den beiden Begriffen. In über 200 Seiten verwendet die Botschaft gerade einmal den Ausdruck «permanent» und über 50-mal «irreversibel».
Organentnahmen nach Hirntod bei erhaltenem Kreislauf: Verbieten!
Entscheidend ist ohnehin das Transplantationsgesetz. Das gilt es ohne Abstriche einzuhalten und das ist bei der Organentnahme bei DCD nicht der Fall. Den Insidern muss das schon seit 2017 klar sein (Fussnote 36, S. 15). Am Universitätsspital Genf wurde damals die normothermische regionale Perfusion (NRP) bei DCD eingeführt. Ziel dieser NRP ist, nach der Todesfeststellung bei DCD, die Bauchregion erneut mit sauerstoffhaltigem Blut zu versorgen, um z.B. bessere Lebern zu erhalten. Dabei besteht das Risiko einer erneuten Hirndurchblutung. Schmerzen und Bewusstsein könnten zurückkehren, was die vorherige Todesfeststellung ungültig machen würde. «Um sicherzustellen, dass keine Hirndurchblutung stattfindet, wird die Rezirkulation durch den Einsatz von Gefässklemmen oder intravaskulären Ballons verhindert, die auf Höhe des thorakoabdominalen Abschnitts der absteigenden Aorta platziert werden», schreiben Mediziner vom Universitätsspital Zürich (J Clin Med 2024:13; 3525). Bei einem irreversiblen Ausfall des Hirns wäre diese Massnahme nicht nötig. Das ist der wahre Grund, dass nun entgegen dem Transplantationsgesetz der Begriff «permanenter Ausfall» verwendet wird. Weil nur scheinbar Toten bei DCD die Organe entnommen werden, ist DCD zu verbieten und aus den Richtlinien der SAMW zu entfernen.
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